Low Responder: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Bild einer dunkelhaarigen Frau

Was ist ein Low Responder?

Als Low Responder werden Frauen bezeichnet, die im Rahmen einer künstlichen Befruchtung nach Hormonstimulation wenige bis gar keine Eizellen produzieren. Ein Estradiolspiegel von kleiner 500 pg/mL zum Zeitpunkt der Einleitung der Stimulationsmaßnahmen, sowie eine Punktion von maximal drei Eizellen können als Basiserklärung dienen. Zur genaueren Diagnosestellung ist es von Vorteil weitere Kriterien hinzuzuziehen. Das Anti-Müller-Hormon (AMH), das follikelstimulierende Hormon (FSH), aber auch die Ermittlung der Anzahl vorhandener Antralfollikel (Vorstufe von Follikeln) und das Alter der Patientin können eine Low Responder-Patientin definieren.

Welche möglichen Ursachen gibt es für Low Responder?

FSH-Wert

Das follikelstimulierende Hormon bewirkt das Heranreifen der Eizellen. Kann bei Frauen ein normaler FSH-Wert nachgewiesen werden und es kommt dennoch zu keiner ausreichenden Anzahl an reifen Follikeln, sind die Gründe anderweitig zu suchen. Unter Low Respondern verzeichnen junge Frauen mit einem normalen FSH-Wert die höchsten Schwangerschaftsraten. Die Anzahl an Schwangerschaften nimmt mit dem Anstieg des FSH im Blut ab.

Alter

Am häufigsten sind Low Responder bei Frauen anzutreffen, die kurz vor den Wechseljahren stehen. Sie verfügen über qualitativ schlechtere Eizellen.

Niedrige ovarielle Reserve

Es gibt auch junge Frauen, die zu den Low Respondern gezählt werden und schon den Hormonstatus älterer Frauen besitzen. Ein solches prämatures ovarielles Versagen kann bei etwa einem Prozent der Low Responder nachgewiesen werden.

Genetische Ursachen

Seit einigen Jahren wird auch die Möglichkeit genetischer Ursachen diskutiert. Antikörper, die sich gegen Keimdrüsen oder gegen die Zona pellucida (eine Schutzhülle der Eizelle) richten, sind sehr seltene Auslöser. Möglich ist auch eine Mutation am FSHR-Gen, die zu einer Störung der Eizellreife führen kann.

Endometriose / Ovarektomie

Bei einer Endometriose kommt es zum Wachstum von Gebärmuttergewebe beispielsweise in den Eierstöcken. Diese ovarielle Endometriose führt zu Funktionseinbußen oder dem Ausfall der Ovarien. Unklar ist, inwiefern Frauen nach der Entfernung eines Eierstockes (Ovarektomie) zu Low Respondern werden. Bei der Heranreifung der Follikel konnte zwar eine signifikante Störung diagnostiziert werden, die Patienten wurden jedoch genauso häufig schwanger, wie nicht operierte.

Durchblutung

Wenn gleich selten, so ist eine Durchblutungsstörung in den Eierstöcken doch eine denkbare Ursache. Aussagen über mögliche Verfahren zum Nachweis oder einer effektiven Behandlung liegen aktuell nicht vor.

Behandlungsbedingte Ursachen

Eine Hormonbehandlung bedeutet für den weiblichen Organismus eine enorm hohe Belastung. Auch wenn der Wunsch nach einem Kind sehr groß ist, sollte zwischen den einzelnen Therapien genügend Abstand gehalten werden. Die Reaktion auf die Hormongaben verlangsamt sich ansonsten, was zum klinischen Erscheinungsbild eines Low Responders führen kann. Stimmt das Timing im Ablauf der Stimulierung nicht, kann dies einen Low Responder vortäuschen.

Wie sieht die Diagnose von Low Respondern aus?

Labordiagnostik

Das Anti-Müller-Hormon korreliert stark mit der Anzahl der im Rahmen einer Follikelpunktion gewonnenen Eizellen. Bei einem AMH-Wert von kleiner 1,0 ng/ml kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Low Responder ausgegangen werden. Beim Low Responder zeigt die Doppelbestimmung des FSH innerhalb eines Monats wiederholt einen Wert von größer 40IE/l. Studien belegen, dass zwischen dem Inhibin B und der Anzahl der punktierten Eizellen ein enger Zusammenhang besteht. Das Inhibin B verhindert die Bildung von FSH ab dem dritten Zyklustag. Wird ein niedriger Inhibinwert gemessen, kann das eine Schwangerschaft verhindern.

Bildgebende Verfahren

Die Anzahl der sogenannten Antralfollikel lässt in der frühen Zyklusphase eine Aussage über die ovarielle Reserve zu. Weniger als sechs Follikelvorstufen stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unzureichende Reserve dar.

Wie können Low Responder behandelt werden?

Eine Standardbehandlung zur Erfüllung des Kinderwunsches kann es nicht geben. Dennoch sind individuelle Wege für eine Schwangerschaft möglich.

Stimulationsprotokoll

Mit Ausnahme des Alters ist eine Ursache vielfach schwer zu diagnostizieren. Fehlende Therapiemöglichkeiten machen ein gut durchdachtes Stimulationsprotokoll notwendig. Die American Society for Reproductive Medicine (ASMR) hat 2018 einen Vergleich bei Low Respondern durchgeführt. Den Studien lagen unterschiedliche Stimulationsprotokolle zugrunde, die in einer Empfehlung mündeten.

FSH in einer höheren Dosierung

Verglichen mit einer FSH-Stimulation von 150 IE/Tag konnte mit einer hohen Dosis FSH (450 IE/Tag) kein signifikanter Unterschied bei der Stimulation festgestellt werden.

Kombinationsprotokoll Clomifen-FSH

Zum Vergleich kamen ein herkömmliches Protokoll mit einer höheren Gonadotropindosis (FSH 300-450 IE/Tag) sowie eine Kombination aus Clomifen und einer niedrigen Konzentration an FSH. Bezüglich der Schwangerschaftsraten unterscheiden sich die beiden Protokolle kaum.

Niedrige Gabe von FSH/IVF im natürlichen Zyklus

In der Studie wurde eine Gruppe mit 150 IE/Tag FSH stimuliert. Die Behandlung setzte zudem erst zu einem späteren Zyklustag ein. Die andere Gruppe bestand aus Frauen, welche nach einem natürlichen Zyklus punktiert wurde. Im Vergleich mit hoch dosierten FSH Gaben oder einer Kombinationsbehandlung konnten auch hier keine Unterschiede festgestellt werden.

Ultrashort Protokoll

Bei Verwendung eines Ultrashort Protokoll kann in einigen Fällen die Eizellreserve besser genutzt werden, als dies mit einem Standardprotokoll möglich wäre. Bei langen Protokollen ist eine anhaltende Unterdrückung der Hormone möglich. Gerade bei Low Respondern kann die anschließende medikamentöse Hormongabe keine Stimulierung mehr auslösen. Die Down-Regulierung des natürlichen Zyklus mittels GnRH-Agonisten (Gonadotropin-Releasing-Hormon) erfolgt beim Ultrashort Protokoll über einen kurzen Zeitraum. (zweiter bis vierter Zyklustag). Anschließend beginnt die Stimulierung mit Gonadotropinen (FSH).

Ergebnis

Wenn auch mit geringem Unterschied konnte die Behandlung mit dem niedrig dosierten FSH die besten Schwangerschaftsraten aufweisen. Insgesamt blieb die Anzahl der erreichten Schwangerschaften im Vergleich zur Gesamtzahl aller Punktionen gering. Das Problem der ungenügenden Ansprechbarkeit gegenüber einer Hormonstimulation bleibt weitgehend ungelöst.

Mini IVF

Eine Methode, welche von dem Japaner Prof. Koto entwickelt wurde, könnte auch bei Low Responder Patienten erfolgversprechend sein. Die Mini IVF verzichtet auf das Herunterregulieren des Zyklus, setzt dabei gleichzeitig auf eine sanfte Stimulierung der Eizellen. Ziel ist es, die Anzahl der heranwachsenden Follikel unter zehn zu halten. Die Anzahl von Eizellen mit guter Qualität bleibt dabei ähnlich hoch wie bei den bisherigen Protokollen.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Bei der ICSI wird von einer Rate von über 60% befruchteter Eizellen ausgegangen. So kann die ICSI zwar nicht die Anzahl der punktierten Eizellen erhöhen, wohl aber die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft auch bei nur wenigen punktierten Follikeln.

Eizellspende

Obgleich bei Low Responder Patientinnen die Voraussetzung für eine Eizellenspende gegeben wäre, verbietet das Embryonenschutzgesetz in Deutschland diese Behandlungsoption.

Wie ist die Prognose?

Die Situation der Frauen mit der Diagnose Low Responder hat sich in den letzten Jahren nicht grundlegend gebessert. Das Ausschöpfen aller denkbaren Therapiemöglichkeiten stellt für die betroffenen Frauen eine große Belastung dar. Eine Hoffnung könnte in der Verabreichung von Wachstumsfaktoren oder Androgenen liegen. Bis zum erfolgversprechenden Einsatz müssen Studien allerdings noch deren Wirksamkeit beweisen.


Quellen:


Aneuploidy rates in embryos from women with prematurely declining ovarian function: a pilot study. Fertil Steril. 2007 Feb 9; [Epub ahead of print] Weghofer A, Barad D, Li J, Gleicher N


Effect of estrogen priming through luteal phase and stimulation phase in poor Responders in in-vitro fertilization J Assist Reprod Genet. 2012 Mar; 29(3): 225–230. Published online 2011 Dec 8. doi: 10.1007/s10815-011-9685-7PMCID: PMC3288134PMID: 22160464 Eun Mi Chang, Ji Eun Han, Hyung Jae Won, You Shin Kim, Tae Ki Yoon, and Woo Sik Lee


Ovarielle Stimulation bei LowRespondern im Rahmender Sterilitätstherapie Reproduktionsmedizin (1999) 15: 100±107”Springer-Verlag T. StrowitzkiAbteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen,Frauenklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Galey-Fontaine et al. 2005 Dissertation Olga Zaherdoust


Candidate genes for premature ovarian failure Curr Med Chem 14, 353-357

Suzumori N, Pangas SA, Rajkovic A (2007)


Evidence of gonadal and gonadotropin antibodies in women with a suboptimal ovarian Response to exogenous gonadotropin Obstet Gynecol. 1990 May;75(5):795-9. Meyer WR1, Lavy G, DeCherney AH, Visintin I, Economy K, Luborsky JL.


Immunity to zona pellucida in women with Low Response to ovarian stimulation, in unexplained infertility and after multiple IVF attempts, Article in Human Reproduction 9(4):643-5 · May 1994 with 3 Reads DOI: 10.1093/oxfordjournals.humrep.a138563 Source: PubMed


Assessment of FSHR variants and antimüllerian hormone in infertility patients with a reduced ovarian Response to gonadotropin stimulation Helge Binder, M.D.a,∗,’CorRespondence information about the author M.D. Helge BinderEmail the author M.D. Helge Binder,Reiner Strick, Ph.D.b, Olga Zaherdoust, M.D.b,Ralf Dittrich, Ph.D.b,Miklos Hamori, M.D.c,Matthias W. Beckmann, M.D.b,Patricia G. Oppelt, M.D.b


The poor Responder patient in an invitro fertilization-embryo transfer program, J Assist Reprod Genet 10: 118-120 Ben-Rafael Z, Feldberg D (1993)


Women with one ovary have decreased Response to GnRHa/HMG ovulation induction protocol in IVF but the same pregnancy rate as women with two ovaries Hum Reprod 12:298–300 Lass A, Paul M, Margara R, Winston RML (1997).


Serum antimullerian hormone levels best reflect the reproductive decline with age in normal women with proven fertility: a longitudinal study Fertil Steril 83, 979-987 Van Rooij IA, Broekmans FJ, Scheffer GJ, Looman CW, Habbema JD, de Jong FH, Fauser BJ, Themmen APN, Te Velde ER (2005).


Premature ovarian failure: an update Fertil Steril 70, 1-15. Anasti J (1998).


Serum inhibin B levels measured early during FSH administration for IVF may be of value in predicting the number of oocytes to be retrieved in normal and Low Responders, Hum Reprod 2002 Sep;17(9):2331-2337 Eldar-Geva T, Margalioth EJ, Ben-Chetrit A, Gal M, Robertson ,DM, Healy DL, Diamant YZ, Spitz IM.


Serum IGF-1 concentrations folLowing pituitary desensitization do not predict the ovarian Response to gonadotrophin stimulation prior to IVF. Hum Reprod. 2003 Sep;18(9):1797-801. Keay SD, Liversedge NH, Akande VA, Mathur RS, Jenkins JM.


Ovarian reserve and reproductive age may be determined from measurement of ovarian volume by transvaginal sonography Human Reproduction, doi:10.1093/humrep/deh285 W. Hamish Wallace Thomas W. Kelsey


A randomized, single-blind, prospective trial comparing three different gonadotropin doses with or without addition of letrozole during ovulation stimulation in patients with poor ovarian Response J. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2016; 203: 30–34 Bastu, E., Buyru, F., Ozsurmeli, M., Demiral, I., Dogan, M., and Yeh,


A mild ovarian stimulation strategy in women with poor ovarian reserve undergoing IVF: a multicenter randomized non-inferiority trial. Hum Reprod. 2017; 32: 112–118 Youssef, M.A., van Wely, M., Al-Inany, H., Madani, T., Jahangiri, N., Khodabakhshi, S. et al


Expected poor Responders on the basis of an antral follicle count do not benefit from a higher starting dose of gonadotrophins in IVF treatment: a randomized controlled trial. Hum Reprod. 2005; 20: 611–615 Klinkert, E.R., Broekmans, F.J., Looman, C.W., Habbema, J.D., and te Velde, E.R.