10 Fragen an Dr. Peet: Praxis für Fertilität in Berlin
10 Fragen an Dr. med. David J. Peet, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Dr. Peet leitet gemeinsam mit Dr. med. Wibke Wilkening die Praxis für Fertilität in Berlin-Mitte. Das Kinderwunschzentrum ist spezialisiert auf die Diagnostik und Therapie der ungewollten Kinderlosigkeit sowie der Endometriose.
FERTILA: Wie sind Sie zur Reproduktionsmedizin gekommen?
PEET: Ende der 70er Jahre, als weltweit die ersten Kinder mittels künstlicher Befruchtung geboren wurden, studierte ich an der Humboldt Universität in Berlin, die damals noch in der DDR angesiedelt war. Das Medizinstudium wurde zu dieser Zeit üblicherweise mit einer Diplomarbeit abgeschlossen. Ich stand vor der Wahl zwischen einem Statistikthema mit viel Recherchezeit in verstaubten Archiven oder aber einer (tier-)experimentellen Arbeit.
Die junge Entwicklung in der Kinderwunschmedizin interessierte mich, es war revolutionär. In der DDR gab es Mitte der 80er Jahre noch keine künstliche Befruchtung (IVF). So wurden einige wenige kleinere Arbeitsgruppen mit Medizinstudenten gebildet, die in der DDR diesem Thema „neu erfinden“ sollten. Neu erfinden deshalb, weil es damals kaum wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch mit dem Westen gab. Zudem fehlten die Devisen, um entsprechendes Equipment zu erwerben. Und vor der Zeit des Internets gab es auch nur begrenzte Möglichkeiten, wissenschaftliche Publikationen einzusehen.
Wir bauten also medizinische Geräte aus den Dingen, die gerade verfügbar waren, also etwa alte Laborgeräte, Schläuche aus dem Aquariumsladen usw.. Da man natürlich ganz rudimentäre Erfahrungen nicht mit Menschen sammeln konnte, machten wir unsere ersten Versuche mit den Tieren aus dem Versuchstierstall der Charite. Der Stall befand sich pikanterweise unter der Uni Frauenklinik der Charite in der Tucholskistrasse.
Ich verbrachte manche Abende und Wochenenden mit weiblichen Ratten, um Scheidenabstriche zu machen und den Zykluszeitpunkt mit Hilfe des Mikroskops herauszufinden. Wir untersuchten so bei den Ratten den Effekt der hormonellen Stimulation und die Abläufe der Einnistung von Embryonen.
Nach dem Universtitätsabschluss als Dipl. med. ergab sich für mich die Möglichkeit, weiter an dem Projekt „IVF in der DDR“ mit zu arbeiten. Nun machten wir die ersten Befruchtungsversuche außerhalb des menschlichen Körpers an Kaninchen. Um die nötige Anzahl von Kaninchen zu bekommen, fuhr ich „über die Dörfer“ und tauschte Trockenfutter gegen jungfräuliche Häsinnen. Ich erntete viele verwunderte Gesichter bei den Bauern. Wir lernten wie man den „Rammlern“ per Thermosvagina Sperma abnahm und vieles mehr.
Letztendlich verhalfen diese Experimente unter Aufsicht von Oberarzt Konrad Lisse, dass die IVF auch in der Ostberliner Charité etabliert werden konnte. Dr. Lisse wurde Leiter der IVF Abteilung. Etwa im Jahr 1985 kam das erste DDR IVF Kind zur Welt, nur 2 Monate nach dem ersten Westberliner IVF Kind. Wir waren also echte IVF Pioniere damals in der DDR.
Nach Ende meiner Facharztausbildung gründete ich 1997 die erste IVF Praxis in Berlin. Bis dato gab es die IVF Behandlung nur an Universitätskliniken. Der Patientenzuspruch war enorm, sodass mehrere Umzüge und Erweiterungen folgten. Inzwischen habe ich die 4. Version unserer IVF Klinik in Berlin konstruiert und arbeite mit meiner Praxispartnerin Frau Dr. Wibke Wilkening und 3 weiteren Ärzten im Herzen der Hauptstadt.
Der beinahe familiäre Zusammenhalt des Teams ist so stark, dass einige Mitarbeiter schon seit 20 Jahren mit mir zusammen arbeiten. Besonders hervorzuheben ist unsere Laborleiterin Frau Sonja Zeitler, eine begnadete Biologin, die ganz sicher auch im Schlaf Eizellen und Embryonen zählt.
FERTILA: Was sind Ihre medizinischen Schwerpunkte?
PEET: Nach unseren Spezialgebieten befragt würde ich z.B. die Paare hervorheben, die nach mehreren erfolglosen Therapie zu uns kommen und den Erfolg suchen. Flexible Herangehensweisen und hochindividuelle Therapien können hier oft Erfreuliches bewirken.
Eines unserer „Steckenpferde“ ist die Diagnostik des sogenannten „Implantationsversagens“ (Einnistungsversagen). Seit nunmehr etwa 6 Jahren führen wir in Laborkooperation mit spanischen Kollegen den ERA Test durch (Endometrial Receptivity Array). Dieser Test ermöglicht es letztlich anhand der „genetischen Signatur“ der Gebärmutterschleimhaut den perfekten Zeitpunkt für den Embryotransfer herauszufinden. Die Folge ist der personalisierte Embryotransfer (pET). Auch für die „schweren Fälle“ resultiert hier eine Schwangerschaftsrate wie bei der gleichaltrigen Patienten-Vergleichsgruppe.
Ein weiterer Schwerpunkt in unserer Klinik ist die Endometriose, der von Frau Constanze Glaser - einer sehr erfahrenen Reproduktionsmedizinerin - mit einer speziellen Sprechstunde mit Leben erfüllt wird. Da die Nachfrage von Frauen mit Endometriose sehr hoch ist, sehen wir uns gezwungen die Aufnahme in diese Spezialsprechstunde auf Frauen mit Kinderwunsch zu beschränken.
Natürlich führen wir auch das Einfrieren von Eizellen ohne Befruchtung durch. Dies kommt in Frage, wenn der Frau z.B. eine Krebsbehandlung bevorsteht unter der ihre Eizellen leiden würden. Dadurch kann ihr später ermöglicht werden, doch noch eine Familie zu gründen.
„Social Freezing“ meint das Einfrieren von Eizellen ohne medizinischen Grund, rein für die Vorsorge. Nicht selten ist in der Lebensplanung mit Mitte 30 noch kein „Platz“ für ein Kind. Da aber die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit ab 40 erheblich abnimmt, lässt sich so entgegenwirken.
FERTILA: Was würden ihre Patienten über Sie sagen?
PEET: Das ist eine sehr gute Frage. Über die Jahre sehen wir bestätigt, dass das Allerwichtigste im Umgang mit Menschen, Patienten, und insbesondere Kinderwunschpatienten Vertrauen und Empathie ist. Paare mit unerfülltem Kinderwunsch müssen ernst genommen werden. Sie müssen individuell und natürlich möglichst erfolgreich behandelt werden.
Ein gewisser Diagnostik- und Therapiestandard ist wichtig, jedoch muss auch die Bereitschaft dafür da sein, mal „outside the box“ zu denken; Dinge ausprobieren, wenn es noch keine langjährigen wissenschaftlichen Studien mit Beweisen für Wirksamkeit gibt. Es ist unsinnig, immer nur nach „Schema F“ zu verfahren. Jeder Mensch ist unterschiedlich, hat andere Diagnosen, andere Wünsche, ein anderes Alter ….
Paare, die uns zur Behandlung aufsuchen, wollen oft gar nicht mehr weg. Sie möchten bei uns die weitere Schwangerschaftsbetreuung und am Liebsten noch die Geburt durchführen. Die Paare fühlen sich einfach wohl bei uns. Wir lachen mit ihnen und teilen auch ihre Trauer. Uns ist keine Patientin egal, wir sind eigentlich immer kurzfristig erreichbar, an 7 Tagen der Woche.
FERTILA: Wen bewundern Sie?
PEET: Ich bewundere Frauen und Paare, die trotz langwieriger schwieriger und teurer Therapien die Zähne zusammenbeißen. Ich bewundere Paare, die in dieser schweren Zeit zusammenhalten. Und ich bewundere vor allem Frauen, die Kinder gebären und aufziehen. Das dürfte der schwierigste Job überhaupt sein!
FERTILA: Welche Situation hat Sie in Ihrer Karriere am stärksten berührt?
PEET: Ach wissen Sie, es gibt immer wieder Frauen und Paare, die einem besonders am Herzen liegen. Mit zu erleben, wie nach einer schwierigen Behandlung im Ultraschall erstmals das kindliche Herz zu sehen ist und die tiefe Freude der Frau mit zu erleben, führt selbst nach jahrzehntelanger Arbeit auf diesem Gebiet auch schon einmal zu feuchten Augen beim Doc!
FERTILA: Was könnte Deutschland besser machen im Umgang mit Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch?
PEET: Insgesamt kann man sagen, daß die Kinderwunschmedizin in Deutschland den Vergleich mit dem Ausland nicht fürchten muß. Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, daß die Erfolgsraten in der gesamten westlichen Welt etwa gleich hoch sind. Natürlich würden wir uns wünschen, etwas freier im Labor agieren zu können. Das 20 Jahre alte Embryonenschutzgesetz limitiert letztlich die Chancen unserer Patienten, selbst wenn es nur wenige % sind. Die Präimplantationsdiagnostik würde die Behandlungseffizienz weiter erhöhen und Fehlgeburten vermeiden helfen.
Eine Zulassung der Eizellspende würde gerade bei der Behandlung der Frauen ab Ende 30 und in ihren 40igern langwierige frustrierende und teure Behandlungen vermeiden helfen. Dadurch würden auch Paare nicht gezwungen werden, für spezielle Therapien ins Ausland gehen zu müssen. Auch die Kostenerstattung für die Behandlungsmethoden der künstlichen Befruchtung ist verbesserungsbedürftig. Gesetzlich versicherte Paare bekommen überhaupt nur als Verheiratete Zuschüsse, und das nur bis zum 40. Geburtstag der Frau. Einige Behandlungen wie z.B. Inseminationen werden so schlecht finanziell unterstützt, dass es – und das ist nicht nur so dahingesagt – ein Zuschussgeschäft für Ärzte ist. Ein weiteres Manko ist die fehlende Erstattung bei der für einige Paare so wichtigen psychologischen Betreuung. Wir würden – wie viele andere Kollegen auch – sehr gerne eine/n Psychologin/en anstellen. Es trägt sich aber einfach nicht ökonomisch!
FERTILA: Was unterscheidet Ihr Kinderwunschzentrum von anderen?
PEET: Natürlich führen wir die gesamte medizinische Diagnostik durch, lediglich laparoskopische Eingriffe übergeben wir an ausgesuchte Kooperationspartner. Wir können einfach nicht ALLES perfekt machen. Erfreulicherweise liegen wir immer wieder unter den TOP 10 der deutschen IVF Kliniken. Das macht uns alle – von der Rezeption bis zum „Chefarzt“ – sehr stolz.
Der Altersdurchschnitt unserer Patientinnen liegt inzwischen bei 39 Jahren. Besonders die Frauen in den späten 30ern und den frühen 40ern sind oftmals eine besondere Herausforderung für unsere Arbeit. Regelmäßig erreichen wir auch hier vordere Positionen in der Statistik des D·I·R(Deutsches IVF Register), welche jedes Jahr neu veröffentlicht wird.
Wichtig dürfte auch noch sein, dass wir nicht nur heterosexuelle Paare behandeln. Wir verhelfen auch Frauenpaaren und Singles zum Kind.
FERTILA: Welche aktuellen Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin finden Sie besonders spannend?
PEET: Besonders interessant ist aus meiner Sicht, was sich aktuell auf dem Gebiet der Genetik tut. Auch der Eizell-Kerntransfer oder der Transfer einzelner Zellorganellen verspricht Hoffnung – besonders für die etwas älteren Frauen. Leider werden Paare in Deutschland noch länger als im Rest der Welt auf den Einsatz neuer Methoden warten müssen.
FERTILA: Wie sieht reproduktionsmedizinische Behandlung in 30 Jahren aus?
PEET: Es ist schon in den letzten 30 Jahren meiner Berufspraxis so viel passiert, was früher absolut undenkbar war. Wahrscheinlich wird man in 30 Jahren mit Zellkernen von Körperzellen des Mannes (oder auch einer „Wunsch Co-Mutter“) Eizellen befruchten können. Die zunehmende chromosomale Schädigung von Eizellen der alternden Frau wird man womöglich verringern oder gar heilen können. Auf jeden Fall wünsche ich mir, dass die – höchst ernüchternde – Baby take home rate von nur etwa 25% (weltweit) deutlich verbessert wird.
FERTILA: Wofür begeistern Sie sich, wenn Sie nicht arbeiten?
PEET: Was mache ich, wenn ich nach meiner 50 Stunden Woche mal nicht in der Klinik bin? Ich bin leidenschaftlicher Kiteboarder, Taucher (inzwischen auch mit der Familie) und ich spiele gerne Saxophon – wenn die Nachbarn nicht da sind!.
Vielen Dank an Dr. Peet für dieses sehr spannende Interview!