10 Fragen an Prof. Dr. Markus S. Kupka: Kinderwunschzentrum Altonaer Strasse
Prof. Dr. med. Markus S. Kupka ist Reproduktionsmediziner am Kinderwunschzentrum Altonaer Strasse in Hamburg. Neben seiner Arbeit als Arzt leitete Kupka bis 2015 das europäische Register für Reproduktionsmedizin (EIM). Seit 2002 ist er Vorstandsmitglied des Deutschen IVF-Registers (DIR). Zudem ist er Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Informationsverarbeitung in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AIG).
FERTILA: Wie sind Sie zur Reproduktionsmedizin gekommen?
KUPKA: Als Student in Bonn nahm mich mein Vater, der damals niedergelassener Frauenarzt in Düsseldorf war und sehr interessiert an endokrinologischen und reproduktionsmedizinischen Themen, mit auf den ersten Kongress der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin ESHRE, der am 23. Juni 1985 in Bad Godesberg in der Nähe von Bonn begann.
Dort standen die „Väter“ des ersten IVF-Babys, welches ja bald 40 Jahre alt wird, nebeneinander und begrüßten jeden Teilnehmer per Handschlag. Daraufhin hatte ich in Erfahrung gebracht, dass die Universitätsfrauenklinik Bonn neben Erlangen eines der ersten universitären Zentren in Deutschland war, welches die Reproduktionsmedizin aktiv vorantrieb.
Somit bewarb ich mich dort bei Prof. Klaus Dietrich um eine Doktorarbeit. Hier ging es um ein Medikament, was in der Urologie zum damaligen Zeitpunkt zugelassen war, nämlich um einen sogenannten GnRH-Agonisten. Inzwischen ist der Einsatz solcher Substanzen im Bereich der Humanreproduktionsmedizin völlig selbstverständlich. Zum damaligen Zeitpunkt war jedoch noch zu testen, ob der gewünschte Effekt der Vermeidung eines vorzeitigen Eisprungs gewährleistet sein wird.
Aus der Universitätsfrauenklinik kamen viele Impulse. So wurde beispielsweise dort die Arbeitsgemeinschaft für Reproduktionsbiologie gegründet. Weiterhin fand der erste Workshop statt bezüglich der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). All dies war ein sehr befruchtendes Umfeld und frühzeitig wurde auch hier die enge Kooperation zur Psychosomatik, Andrologie, internistischen Endokrinologie und operativen Gynäkologie etabliert.
FERTILA: Was sind Ihre medizinischen Schwerpunkte?
KUPKA: Meine persönlichen Schwerpunkte sind entstanden aus meinen wissenschaftlichen Betätigungen. Frühzeitig habe ich den Eindruck gewonnen, dass die digitale Informationsverarbeitung einen großen Stellenwert in der Medizin einnehmen wird. Deswegen habe ich eine zweijährige Zusatzausbildung in medizinischer Information absolviert. Darüber hinaus war ich viele Jahre lang Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Informationsverarbeitung in der Gynäkologie und Geburtshilfe unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Speziell in dem Bereich Reproduktionsmedizin hat mich das dazu geführt, seit vielen Jahren Mitglied im Vorstand bzw. im Beirat des Deutschen IVF-Registers zu sein. Um auch etwas über den nationalen Tellerrand hinauszuschauen, habe ich mich dann auch auf europäischer Ebene für ähnliche Fragestellungen interessiert und konnte mehrere Jahre lang das Europäische Register für Reproduktionsmedizin leiten, indem ich immer noch begeistert und aktiv mitarbeite.
Was die Patientenbetreuung angeht, ist es mir ein Anliegen gewesen, möglichst umfangreiche Therapiestrategien anzubieten einschließlich der operativen Tätigkeit. Dies ist jedoch seit Tätigkeitsbeginn im Kinderwunschzentrum Altonaer Straße nicht mehr möglich. Bauchspiegelungen, Gebärmutterspiegelungen, Myomentfernungen durch Bauchschnittoperationen, all dies war 20 Jahre lang für mich täglich zum Betreuungsstandard dazu gehörig. Darüber hinaus war die Betreuung auch endokriner Fragestellungen, wie vorzeitige Wechseljahrssituationen, Perimenopause, Transsexualität, Osteoporose und Fragestellungen der Kinderendokrinologie ein vertrautes Thema. Dies hat sich etwas geändert.
Der Schritt, von München nach Hamburg zu gehen, war jedoch auch geprägt durch das Setting hier in Hamburg. Im Gynäkologicum Hamburg finden sich für alle genannten Bereiche ebenfalls Spezialisten, so dass eine enge Kooperation hier ermöglicht, auch schwierige Fragestellungen zu behandeln.
FERTILA: Was würden ihre Patienten über Sie sagen?
KUPKA: Nach 20 Jahren beruflicher Tätigkeit im Bereich der Reproduktionsmedizin mit längeren Phasen auch im Ausland kann ich nur Eines vermuten: Es jedem Recht zu machen, ist nicht möglich.
Es war für mich schon ein großer Unterschied vom Rheinland nach Bayern zu gehen und dann nach zehnjähriger Tätigkeit in Bayern vor nun fünf Jahren nach Hamburg in den Norden. Die Menschen sind überall sehr unterschiedlich. Meiner Wahrnehmung nach, auch unterstützt durch die veröffentlichten Meinungsbilder, ist es so dass die meisten Patientenpaare sich medizinisch sehr gut und kompetent betreut fühlen.
Nach dem ersten sehr umfangreichen Beratungsgespräch gibt es eine Phase der Diagnostik, bei der genau versucht wird einzugrenzen, welche Gründe dafür verantwortlich sein können, dass bisher eine Schwangerschaft nicht eingetreten ist. Dann erfolgt ein erneutes Gespräch um festzulegen, was das Paar sich an Behandlungsstrategien vorstellen kann und was ich dem Paar empfehlen werde. Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt und die meisten Paare kommen damit sehr gut zu recht.
Für mich sind Offenheit und klare Darstellung der Chancen und Risiken ein wichtiger Punkt. Bei schwierigen Situationen stelle ich mir oft vor, dass ich meine Schwester oder meine Tochter oder vielleicht sogar meine Ehefrau beraten würde. Das hilft mir, die Fragestellungen sehr gründlich zu betrachten.
FERTILA: Wen bewundern Sie?
KUPKA: Es gibt einen Fragebogen von Marcel Proust, den ich auf meiner Homepage beantwortet habe. Da wird beispielsweise nach den Helden der Wirklichkeit oder in der Geschichte gefragt. Wenn es um Bewunderung geht, geht es nicht zwingend um berufliche Vorbilder. Menschen, die auch in schwierigen Situationen gefasst sind und versuchen mit schwerwiegenden Problemen auf eine positive Art umzugehen, bewundere ich sehr.
FERTILA: Welche Situation hat Sie in Ihrer Karriere am stärksten berührt?
KUPKA: Ob es richtig zur Karriere gehört, weiß ich nicht genau. Aber ich war bei allen drei Entbindungen meiner Kinder, die jeweils in dem Krankenhaus stattfanden, indem ich selber arbeitete, anwesend. Das waren natürlich sehr berührende Momente. Im Patientenkontakt hat mich sehr bewegt, wie auch gestandene Männer beim ersten sichtbaren Zeichen einer Schwangerschaft im Ultraschall emotional erfasst und bewegt sein können.
FERTILA: Was könnte Deutschland besser machen im Umgang mit Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch?
KUPKA: Dies ist eine sehr komplexe Frage. Um es auf den Punkt zu bringen, glaube ich, dass ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz mit vernünftigen Regulierungen, die auch für die nächsten 15 bis 20 Jahre halten können, wichtig wäre. Ich persönlich denke, dass die Genetik in unserem Fachbereich eine zunehmende Rolle spielen wird und würde mir erhoffen, dass das Reglement hier liberaler wird.
Durch die Mitarbeit im Europäischen IVF-Register, an dem über 30 Länder teilnehmen, gelingt es leider viel zu oft auch die Hemmnisse des Deutschen Regelwerkes zu erkennen. Neben der Samenspende würde ich mich darüber freuen, dass auch die Eizellenspende in Deutschland erlaubt würde.
Außerdem finde ich die Kostenerstattungssituation schwierig, denn hier im Norden sind beispielsweise mehr als die Hälfte aller Paare nicht verheiratet und müssen die Kosten einer Kinderwunschbehandlung selber tragen, wenn sie in der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Das empfinde ich persönlich als ungerecht.
FERTILA: Was unterscheidet Ihr Kinderwunschzentrum von anderen?
KUPKA: Nach 20 Jahren Arbeit in einem universitären Setting ist der niedergelassene Bereich nun eine neue Erfahrung, wenn es darum geht, zeitnah und problemorientiert beispielsweise Neuanschaffungen zu tätigen. Wir sind in unserem Zentrum sehr innovativ und bieten beispielsweise auch die Präimplantationsdiagnostik an. Dies tun nur wenige andere der 135 Kinderwunschzentren in Deutschland.
Wir gehören zu den zehn größten Zentren und haben somit die Möglichkeit, was die Betreuungszeiten angeht, ein großes Spektrum anzubieten. Wir haben vier Praxispartner und drei angestellte Ärztinnen und Ärzte, so dass auch – wenn vielleicht ein Patientenpaar den Betreuer wechseln möchte – das Zentrum nicht verlassen werden muss. Wir bieten darüber hinaus eine intensive 1:1 Betreuung, wenn das Patientenpaar dies möchte.
Wir sind hier in Hamburg in einem sehr kompetitiven Umfeld und sehen es als großen Vorteil an, dass wir als eines der wenigen Zentren inhabergeführt sind, also unabhängig von Laborkonzernen oder Investmentgesellschaften.
FERTILA: Welche aktuellen Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin finden Sie besonders spannend?
KUPKA: In meiner Wahrnehmung ist besonders aufregend, dass die Möglichkeiten der Selbstverwirklichung auch was die Familienplanung angeht, immer umfangreicher werden. Social Freezing, Kryokonservierung u.ä. seien hier genannt.
Fest steht für mich jedoch auch: man muss nicht alles anbieten, was technisch machbar ist. So muss jedem bewusst sein, dass genetische Untersuchungen beispielsweise sehr viel Einfluss auf das persönliche Befinden haben können. Es gibt ein Recht auf Nichtwissen. Vor jeder Untersuchung muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass Untersuchungsergebnisse auch belastend sein können. Insofern freue ich mich vor allen Dingen im Bereich der Genetik über aktuelle Entwicklungen, behalte mir jedoch vor, diese auch kritisch zu hinterfragen.
FERTILA: Wie sieht reproduktionsmedizinische Behandlung in 30 Jahren aus?
KUPKA: An den grundlegenden Limitierungen wird sich vermutlich wenig ändern. Eine Verjüngungskur für Eizellen, das wäre ein verlockendes Therapiekonzept. Aber dieses wird es vermutlich auch in 30 Jahren nicht geben. Wenn man den Zukunftsforschern glaubt, dann kann man durch einen Abstrich aus der Wangenschleimhaut Spermien, Eizellen u.ä. generieren. Ob das wirklich so gelingt, bleibt abzuwarten.
FERTILA: Wofür begeistern Sie sich, wenn Sie nicht arbeiten?
KUPKA: Mich begeistert, Zeit für meine Familie zu finden, viel zu reisen aber auch mit Kolleginnen und Kollegen Austausch zu suchen – am liebsten in einem schönen Ambiente.
Vielen Dank an Prof. Dr. Kupka für dieses sehr spannende Interview!