Schwangerschaftsdiabetes: Anzeichen, Ursachen, Behandlung und Prognose

Braune Würfelzucker

Was ist Schwangerschaftsdiabetes?

Diabetes, auch Zuckerkrankheit genannt, ist in Deutschland bei Frauen, Männern und Kindern weit verbreitet. Knapp 9% der Bevölkerung, entsprechend 7 Mio. Menschen, leiden an diagnostiziertem Diabetes. Bis zum Alter von etwa 50 Jahren sind Frauen dabei mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Es handelt sich bei der Krankheit um eine Störung im Zuckerstoffwechsel, bei der die Blutzuckerwerte im Blut erhöht sind. Ursächlich sind eine Verminderung, ein vollständiges Fehlen oder eine verringerte Wirkung (Insulinresistenz) des Hormons „Insulin“ aus der Bauchspeicheldrüse.


Schwangerschaftsdiabetes, der auch als Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus Typ 4 bezeichnet wird, ist eine Unterform von Diabetes und eine der häufigsten Begleiterkrankungen während der Schwangerschaft. Er ist definiert als ein erstmals in der Schwangerschaft festgestellter Diabetes. Diabetes, der bereits vor Beginn der Schwangerschaft diagnostiziert wurden, wird nicht zu dieser Gruppe gezählt. Jede 6. Schwangere weist die Erkrankung auf. Nach der Geburt des Kindes dauert die Zuckerkrankheit bei vielen Frauen nicht weiter an und bildet sich zurück. Bei der Hälfte der Betroffenen entwickelt sich jedoch innerhalb der nächsten 8 Jahre ein dauerhaft anhaltender Diabetes, der dann jedoch nicht als Gestationsdiabetes, sondern in den meisten Fällen als Diabetes mellitus Typ 2 bezeichnet wird.

Was sind die Ursachen für Schwangerschaftsdiabetes?

Nach der Nahrungsaufnahme oder dem Trinken zuckerhaltiger Getränke kommt es zum Anstieg des Zuckers im Blut. Das Hormon Insulin, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird, bewirkt normalerweise, dass der Zucker aus dem Blut in die Zellen der Organe aufgenommen wird, in denen er zu Energie für die Zellen umgewandelt wird. Liegt eine Störung der Insulinproduktion oder -wirkung vor, kommt es zu einer Störung des Zuckerstoffwechsels, die zu einer verringerten Zuckeraufnahme in die Zellen führt sowie zu einem erhöhten Zuckergehalt im Blut.


Während einer Schwangerschaft verändert sich der Zuckerstoffwechsel der Frau natürlicherweise. Hierbei durchläuft der Stoffwechsel mehrere Phasen:

  • Im ersten Trimenon (1. bis 13. Schwangerschaftswoche) wird das Schwangerschaftshormon Beta-HCG vermehrt gebildet, das eine ähnliche Wirkung wie Insulin aufweist und somit eine bessere Aufnahme des Zuckers aus dem Blut zur Folge hat (Verbesserung der Insulinsensitivität). Der Blutzuckerwert bleibt im Normalbereich, manchmal kann es sogar zu einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) kommen.

  • Etwa ab der zweiten Hälfte des 2. Trimenons (14. bis 26. Schwangerschaftswoche) wirken vermehrt andere (Schwangerschafts-) Hormone, wie beispielsweise Progesteron, Prolaktin, Kortison und das plazentare Wachstumshormon (hGH-V). Diese wirken gegenteilig zu Insulin, sodass es zu einer Erhöhung des Blutzuckers bei der Mutter kommen kann. Bis zu einem gewissen Grad ist dies ein normaler Vorgang, der zur optimalen Versorgung und zum Wachstum des ungeborenen Kindes führt.

  • Im 3. Trimenon (27. bis 40. Schwangerschaftswoche) entsteht gegebenenfalls eine „Insulinresistenz“, die in ähnlicher Form auch beim Diabetes mellitus Typ 2 vorliegt. Insulinresistenz bedeutet, dass zwar eine normale Menge Insulin freigesetzt wird, die Zellen verarbeiten aber dennoch schlechter beziehungsweise verzögert den Zucker aus dem Blut. Nach dem Essen kann es deswegen bei schwangeren Frauen etwas länger dauern als bei nicht schwangeren Frauen, bis der Zucker aus dem Blut in die Zellen aufgenommen wird. Die genaue Ursache der Insulinresistenz in der Schwangerschaft ist bislang ungeklärt.

Nach der Geburt des Kindes bildet sich dieser Zustand jedoch meist wieder zurück und der Blutzuckerstoffwechsel der Frau normalisiert sich wieder.

Welche Risikofaktoren bestehen für einen Schwangerschaftsdiabetes?

Die Risiken an einem Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken, ähneln denen eines Diabetes mellitus Typ 2, der durch eine sogenannte Insulinresistenz verursacht wird. Das vorhandene Insulin kann dann vom Körper schlechter verwendet werden. 


Vermehrt betroffen sind Frauen:

  • mit Übergewicht (Adipositas),

  • mit früheren Totgeburten oder mehr als 3 Aborten (Fehlgeburten),

  • über 35 Jahre,

  • mit Erkrankungen (z.B. PCO) oder Medikamenteneinnahme (z.B. Kortison), die den Zuckerstoffwechsel der Frau beeinflussen,

  • deren Familienmitglieder ebenfalls an einer Zuckerstoffwechselstörung erkrankt sind,

  • oder die Gestationsdiabetes in einer früheren Schwangerschaft hatten,

  • oder ein Kind mit Geburtsgewicht von mehr als 4.500 Gramm bei einer früheren Geburt.

  • Bei arabischen, süd- und südostasiatischen sowie lateinamerikanischen ethnischen Gruppen fallen vermehrt Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes auf.

Welche Anzeichen und Symptome gibt es für diese Art von Diabetes?

Ein in der Schwangerschaft entstandener Diabetes kann lange Zeit ohne spezielle Symptome verlaufen. Mögliche Anzeichen können sein:

  • Leichte Symptome einer Zuckerstoffwechselstörung: Dazu zählen eine Erhöhung der Urinmenge (Polyurie) sowie ein vermehrtes Durstgefühl (Polydipsie).

  • Schwächegefühle und Müdigkeit.

  • Erhöhung des Zuckers im Urin: Die Erhöhung kann zu vermehrten Harnwegs- und Nierenbeckenentzündungen sowie zu Entzündungen im Vaginalbereich führen. Bakterien können sich in einem zuckerreichen Milieu besser vermehren.

  • Eine Diabeteserkrankung in der Schwangerschaft begünstigt die Entstehung einer für Mutter und Kind sehr gefährlichen Komplikation: die Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie). Diese Vergiftung kann sich durch Bluthochdruck, eine Funktionsstörung der Niere mit erhöhten Proteinwerten im Urin sowie durch die Entstehung von Wasseransammlungen vor allem in den Beinen (Ödeme) äußern.

Jede Schwangerschaft geht mit vielen natürlichen Veränderungen des Körpers einher. So kann es leicht passieren, dass Symptome, besonders wenn sie nur mild auftreten, lediglich der Schwangerschaft zugeordnet werden und somit nicht krankhaft erscheinen. Das kann zu einer verspäteten Entdeckung und Therapie der Erkrankung führen.

Wie wird ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert?

Die Diagnose auf Schwangerschaftsdiabetes ist eine empfohlene Vorsorgeuntersuchung für Schwangere (Screening). Sie wird üblicherweise bei dem Frauenarzt / der Frauenärztin durchgeführt. Im Patientengespräch (Anamnese) werden Vorerkrankungen, Risikofaktoren, Medikamente sowie Erkrankungen bei direkten Verwandten analysiert. Auch eine körperliche Untersuchung mit Überprüfung des Blutdrucks, Puls und Gewichtes der Patientin gehört zur Routinediagnostik. Daneben werden der Blutzuckerspiegel im venösen Plasma und der Zuckergehalt im Urin der Schwangeren bestimmt. Erhöhte Werte können Hinweise auf einen Gestationsdiabetes geben. Sie reichen jedoch in den meisten Fällen nicht für eine endgültige Diagnose aus.


Der in der Schwangerschaft diagnostizierte Diabetes mellitus tritt häufig zunächst ohne eindeutige Symptome auf. Deshalb wird eine Untersuchung empfohlen, die einmalig zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche vorgenommen wird, bei Vorliegen spezieller Risikofaktoren oder Symptome auch früher. 


Hierbei wird zunächst eine Zuckerlösung getrunken, die aus Wasser und 50 Gramm gelöstem Zucker. Nach einer Stunde wird der Blutzucker der Schwangeren gemessen. Liegt der gemessene Wert über 135 mg/dl, wird ein großer oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt: 

Es erfolgt eine Blutentnahme nüchtern, um den Nüchternblutzucker zu bestimmen. Anschließend trinkt die Patientin eine Lösung aus 75 Gramm Zucker und Wasser. Die Blutzucker- und ggf. Insulinwerte werden erneut nach einer und zwei Stunden bestimmt. 


Ergibt auch dieser Test eine zu starke Erhöhung des Zuckerwerts oder ist der Zuckerwert bereits im nüchternen Zustand ohne Trinken der Lösung erhöht, so liegt Schwangerschaftsdiabetes vor.

Folgende Werte gelten bei dem oralen Glukosetoleranztest mit 75 Gramm Zucker als aussagekräftig:

  • Der Nüchternblutzucker ist höher als 92mg/dl oder

  • in der Messung nach 1 Stunde liegt der Wert höher als 180 mg/dl oder

  • in der Messung nach 2 Stunden ist der Wert höher als 153 mg/dl.

Sind die gemessenen Blutzuckerspiegel höher als normal aber noch unterhalb der oben genannten Grenzwerte, spricht man von gestörter Glukosetoleranz. Die Ergebnisse der Untersuchung werden vom Frauenarzt bzw. von der Frauenärztin mit der Schwangeren besprochen.

Welche Risiken bestehen bei Schwangerschaftsdiabetes?

Ein unbehandelter Schwangerschaftsdiabetes birgt Gefahren sowohl für das ungeborene Kind als auch für die Mutter. Das Baby entwickelt sich aufgrund der Überzuckerung häufig schneller und wächst vermehrt. Dies führt zu einer überdurchschnittlichen Gewichts- und Größenzunahme des Kindes (Makrosomie). Dies kann einerseits zu vermehrten Geburtskomplikationen aufgrund der Kindesgröße führen, andererseits droht eine Sauerstoffunterversorgung während der Geburt. Ab einer gewissen Größe des Kindes wird deshalb zur Durchführung eines Kaiserschnitts geraten. Ein Baby braucht bei Makrosomie mehr Sauerstoff und bildet deshalb vermehrt rote Blutkörperchen (Erythrozyten). Beim Kind kann das zu einer Gerinnungsstörung führen oder zu einem vermehrten Anfall von Bilirubin (Hyperbilirubinämie) mit nachfolgender Gelbsucht (Ikterus). Babys werden bei einem unbehandelten Schwangerschaftsdiabetes sehr groß und schwer. Dennoch sind viele Organe bei der Geburt oft unreif und so kommt es mitunter zu schweren Komplikationen. Beispielsweise kann durch eine unreife Lunge ein Atemnotsyndrom nach der Geburt entstehen. Auch das Herz ist mitunter von einer muskulären Schädigung betroffen.


Nicht selten weisen schwangere Frauen mit unbehandeltem Schwangerschaftsdiabetes auch eine vermehrte Bildung von Fruchtwasser auf (Polyhydramnion). Mögliche negative Folgen des Gestationsdiabetes für die Frau können vermehrte Infektionen der Harnwege und der Nierenbecken sowie des äußeren Genitals sein. Des Weiteren steigt durch Gestationsdiabetes auch die Gefahr weiterer Schwangerschaftserkrankungen.


Die Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie) äußert sich durch Bluthochdruck, Funktionsstörungen der Niere mit vermehrtem Vorhandensein von Protein im Urin sowie Wassereinlagerungen vor allem in den Beinen (Ödeme). Die Schwangerschaftsvergiftung ist ein bedrohliches Krankheitsbild, das umfassende Behandlung erfordert. In seltenen Fällen werden weitere Erkrankungen wie beispielsweise epileptische Anfälle (Eklampsie) begünstigt.

Wie kann ein Gestationsdiabetes behandelt werden?

Die Therapie eines gesicherten Schwangerschaftsdiabetes ist äußerst wichtig zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen für Mutter und Kind. Nach der Feststellung eines Gestationsdiabetes wird der werdenden Mutter zunächst eine Ernährungsberatung zur Ernährungsumstellung angeboten. Zusätzlich wird moderate körperliche Aktivität empfohlen. Um die Veränderung des Blutzuckers zu beobachten, sind regelmäßige Blutzuckermessungen notwendig. Sollte die umgestellte Ernährung nicht, oder nicht ausreichend zu einer Verbesserung der Blutzuckerwerte führen, wird in der Regel eine Behandlung mit Insulin begonnen. Die Patientin erhält dann eine umfassende Schulung, bei der die Insulintherapie erlernt werden kann. Sie kann anschließend die Spritzen selber setzen.

Wie ist die Prognose bei Gestationsdiabetes?

Der Zuckerstoffwechsel von betroffenen Frauen kann sich oft innerhalb kurzer Zeit nach der Entbindung des Kindes normalisieren, und es ist keine weitere Therapie notwendig. Durch ein mindestens dreimonatiges Stillen wird das Risiko für die Mutter, an einem anhaltenden Diabetes mellitus zu erkranken, auf lange Sicht um 40% verringert. Ebenso können eine ausgewogene Ernährung und bei Frauen mit Übergewicht eine Verringerung des Körpergewichts einen positiven Einfluss haben.


Trotz der guten Prognose und der großen Genesungswahrscheinlichkeit rät die Deutsche Diabetes Gesellschaft für die Zeit nach der Geburt zu weiteren Blutzuckermessungen und einer Fortführung der gesunden Ernährung. Eine erste Blutzuckermessung wird 6 – 12 Wochen nach der Geburt empfohlen. Wenn die Messungen unauffällig sind, also keine erhöhten Blutzuckerwerte aufweisen, sollten die Untersuchungen nun alle 2 – 3 Jahre wiederholt werden. Bei 50% der Frauen, die in mindestens einer Schwangerschaft mit Gestationsdiabetes diagnostiziert wurden, besteht ein erhöhtes Risiko innerhalb der nächsten 8 Jahre an einem dauerhaften Typ 2 Diabetes mellitus zu erkranken. Auch besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das erneute Auftreten eines Gestationsdiabetes in weiteren Schwangerschaften.

Quellen:


https://www.mondosano.de/ratgeber/diabetes/haeufigkeit/

T. Weyerstahl, M. Stauber: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe. 4. Auflage, Georg Thieme Verlag (2013)

https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/Gesundheitspolitik/20181114gesundheitsbericht_2019.pdf

https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Evidenzbasierte_Leitlinien/2018/057-008p_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-03.pdf

https://www.netdoktor.de/krankheiten/diabetes-mellitus/ogtt/