Hodenbiopsie zur Gewinnung von Spermien

Die Hodenbiopsie ist ein operatives Verfahren zur Gewinnung von Spermien bei Kinderwunsch. Sie wird als Fruchtbarkeitsbehandlung beim Mann angewendet.

Darstellung eines Spermas

Wann ist eine Hodenbiopsie sinnvoll?

Die Methode wird insbesondere bei einer Azoospermie empfohlen, wenn nach wiederholter Durchführung eines Spermiogrammes kein oder nur vereinzelt Sperma gefunden wird. Dabei werden zwei wesentliche Ursachen unterschieden.

  • Bei der verschließenden (obstruktiven) Azoospermie ist das Hodengewebe durchaus imstande, funktionstüchtige Samenzellen zu produzieren. Für die fehlenden Spermien ist ein Verschluss des Samenganges verantwortlich. Die Ursachen können sowohl erbliche veranlagt sein, als auch durch eine bewusste Abtrennung des Samenstranges im Zuge einer Sterilisation verursacht worden sein.

  • Die nicht-obstruktive Azoospermie hingegen beschreibt eine Funktionseinschränkung oder den Ausfall der keimbildenden Zellen im Hoden. Verantwortlich hierfür können erbliche Veranlagungen oder ein vorangegangener Hodenhochstand sein [1]. Ebenso begünstigen Infektionskrankheiten (beinspielsweise Mumps) [2], eine Chemotherapie oder der Missbrauch anaboler Substanzen (Testosteron) eine Schädigung.

Bevor eine Hodenbiopsie durchgeführt werden kann, muss der Auslöser für das Fehlen von Samenzellen im Ejakulat gefunden werden. Insbesondere bei einem Verschluss ist zu prüfen, inwieweit die Durchlässigkeit des Samenleiters wieder herzustellen ist [3]. Zudem ist vorab zu klären, ob bei der Partnerin eine künstliche Befruchtung infrage kommt.

Welche Methoden stehen zur Verfügung?

Etwa 50 Prozent aller Männer, bei denen keine Samenzellen im Ejakulat zu finden sind, kann mit einer Biopsie der Hoden in Verbindung mit einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) zu einer Befruchtung verholfen werden [4]. Bei einer Biopsieentnahme werden Gewebeproben gewonnen und im IVF-Labor untersucht. Je nach Ursache der Infertilität kommen dabei unterschiedliche Techniken zur Anwendung [5].

MESA (microsurgical epididymal sperm aspiration)

Die Methode basiert auf der Freilegung eines kleinen Kanals im Nebenhoden. In diesen Kanälen können im günstigen Fall Spermien gefunden werden. Zur Anwendung kommt die MESA vor allem bei einem angeborenen Fehlen oder der inoperablen Einschnürung der Samenstränge. Ebenso können Männer mit einer nicht behebbaren Störung der Ejakulation oder Erektion profitieren.

TESE (testicular sperm extraction)

Bei der TESE werden aus dem Hoden bis zu acht Gewebeproben (Biopsien) entnommen. Im Labor werden die Biopsien zuerst mechanisch und in einem weiteren Schritt mittels Enzymen zerkleinert. Im Ergebnis werden hier nur sehr vereinzelt Spermien gefunden. Das hat jedoch keine technischen Ursachen, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass die TESE vor allem bei einer bestehenden Schädigung von keimbildenden Zellen zur Anwendung kommt. Eine MESA macht hier keinen Sinn, da in diesem Fall im Nebenhoden keine Spermien zu finden sind.

Mikro-TESE

In den letzten Jahren kommt vermehrt eine Weiterentwicklung der TESE zum Einsatz, die Mikro-TESE. Hier wird die Hodenbiopsie unter einem Operationsmikroskop durchgeführt. Aufgrund der vergrößerten Strukturen des Gewebes wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, Spermien aufzufinden.

Wie verläuft die Operation?

Die oben genannten Eingriffe werden in Vollnarkose oder örtlicher Betäubung und Sedierung vorgenommen. Am Operationstag sollten feste Nahrung und blutverdünnende Medikamente (Aspirin, Marcumar, etc.) vermieden werden.


Der Eingriff dauert bei einseitiger Probenentnahme 10 bis 30 Minuten. Bei der TESE wird mit einem etwa 10 bis 20 mm langen Schnitt der Hoden freigelegt. An drei bis vier Stellen werden bis zu acht Biopsien entnommen. Diese Zahl ist notwendig, da nicht in allen Arealen des Hodens gleichermaßen Spermien zu erwarten sind. Im Rahmen einer MESA wird der Nebenhoden mit einer dünnen Punktionsnadel angestochen und die entnommene Flüssigkeit zur Untersuchung genutzt.

Was geschieht mit den Spermien nach der Operation?

Die Vitalität und Mobilität der gewonnenen Samenzellen ist in den meisten Fällen gering [6,7]. Auch die Mobilisierung der Spermien durch eine dem Koffein ähnliche Substanz (Theophyllin) reicht i.d.R. nicht aus. So geht eine Hodenbiopsie zumeist mit einer ICSI einher.


Ein Großteil der mittels TESE/MESA gewonnenen Spermien wird im IVF-Labor in einem aufwendigen Verfahren bei minus 196 °C kryokonserviert. Eine Verwendung der tiefgefrorenen Samenzellen ist medizinisch gesehen beinahe beliebig lange möglich [8]. Üblicherweise werden die gewonnenen Spermien beziehungsweise Punktate in Portionen aufgeteilt. So können bis zu drei ICSI Behandlungen und – je nach Anzahl vitaler Spermien – mehrere Eizellen pro Zyklus befruchtet werden.


Nach dem Eingriff müssen die Patienten zwischen ein bis drei Stunden in der Praxis verbleiben. Eine Begleitperson ist wegen Nachwirkung der Betäubung zu empfehlen. Im Falle der TESE wird die Wunde genäht und mit einem Druckverband steril abgedeckt.


Während eine sexuelle Enthaltsamkeit vor der Operation nicht notwendig ist, kann sie schmerzbedingt im Anschluss für ein bis zwei Wochen erforderlich werden. Ein längerer Kontakt der Wunde mit möglichen Infektionsquellen (z.B. Sauna oder Baden) sollte vermieden werden.

Wie sind die Erfolgschancen bei Kinderwunsch?

Die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft nach einer Biopsie hängen von der Hodengröße und dem follikelstimulierenden Hormon (FSH) ab. Je größer der Hoden und je niedriger das FSH, desto eher lassen sich Spermien gewinnen [9]. Die Chance funktionstüchtige Spermien zu finden ist mit über 60% recht hoch. Die durchschnittliche Schwangerschaftsrate indes liegt mit der Behandlung bei etwa 25%.

Kann ich meine Spermienproduktion selbst verbessern?

Spermienqualität und Anzahl lassen sich durch einen gesunden Lebensstil erhöhen. Gerade Nikotin scheint einen sehr negativen Einfluss auf die Spermienproduktion auszuüben [10]. So wird vor einer TESE zum 6-monatigen Verzicht auf Nikotin geraten.


Inwiefern eine zusätzliche Hormonbehandlung sinnvoll ist, kann der Arzt nach einer ausführlichen Diagnostik sagen. Die Einnahme von Testosteron (Anabolika) ist kontraproduktiv.

Kann es zu Komplikationen kommen?

Operationsrisiken können bei jedem Eingriff auftreten. Eine Unverträglichkeit gegenüber Narkosemitteln sollte im Vorfeld geklärt werden. Leichte Blutergüsse oder geringe Nachblutungen werden selten beobachtet und sind nach wenigen Tagen verschwunden. Bei einer Schwellung einhergehend mit starken Schmerzen muss an eine Entzündung des Nebenhodens (Epididymitis) gedacht werden. Sie ist selten und durch die Gabe von Antibiotika leicht behandelbar.

Was ist eine Frisch-TESE?

Einige Kinderwunschzentren praktizieren nach einer Biopsie die direkte (frische) Verwendung der gewonnenen Spermien zur Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion. Voraussetzung ist eine exakte Abstimmung von TESE/MESA und der Eizellpunktion. Neben der terminlichen Vereinbarkeit müssen dabei beim Mann tatsächlich Spermien gefunden und bei der Frau Eizellen punktiert werden. Die genannten Faktoren führen zumeist zur Entscheidung, die Spermien nach der Biopsieentnahme zunächst mittels Kryokonservierung einzufrieren.

Leidet die "Männlichkeit" nach einer Hodenbiopsie?

Die Fähigkeit zur Testosteronproduktion wird durch die TESE nur unwesentlich beeinflusst. Die für die Produktion zuständigen Zellen können sich innerhalb eines Jahres regenerieren.

Wie hoch sind die Kosten?

Zwar mag der Faktor Geld bei unerfülltem Kinderwunsch nicht immer im Mittelpunkt stehen. Angesichts bisweilen vieler notwendiger Versuche kann es dennoch wichtig sein, Preise zu vergleichen.


Die Kosten für die Behandlung der Unfruchtbarkeit beim Mann sind Teil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen. Dennoch ist es ratsam, vorab die Kostenübernahme abzuklären. Gleiches gilt für die privat versicherten Patienten. Indes werden die Kosten für die Kryokonservierung nicht von den Kassen übernommen. Sowohl die Aufbereitung für den Einfriervorgang, als auch die Lagerung selbst sind in Eigenleistung zu erbringen. Unbedingt sollten etwa auch eventuell entstehende Transportkosten von tiefgefrorenen Proben geklärt werden. Da die Kosten von Zentrum zu Zentrum abweichen, können die im Folgenden genannten Zahlen lediglich Durchschnittswerte sein. So werden für die Durchführung der Kryokonservierung pro Vorgang etwa 350 bis 500 Euro berechnet. Zusätzlich müssen pro Jahr Lagerung weitere 300 Euro kalkuliert werden. Die Kryokonservierung von Samenzellen ist streng reglementiert. Die Austestung der Probe hinsichtlich HIV und Hepatitis ist gesetzlich notwendig. Je nach Labor fallen hier zusätzliche Kosten in Höhe von zirka 100 Euro an.

Quellen:


[1] Hadziselimovic, F., On the descent of the epididymo-testicular unit, cryptorchidism, and prevention of infertility.Basic and Clinical Andrology, 2017. 27(1).

[2] Davis, N.F., et al., The increasing incidence of mumps orchitis: a comprehensive review.BJU International, 2010. 105(8): p. 1060-1065.

[3] Jungwirth, A., et al., Male infetility. EAU Guidelines. Edn. presented at the EAU Annual Congress Copenhagen 2018. ISBN 978-94-92671-01-1 ed. 2018.

[4] Weidner W, Colpi GM, Hargreave TB, Papp GK, Pomerol JM (2002) The EAU Working Group on Male Infertility. EAU Guidelines on Male Infertility. Eur Urol 42:313–322

[5] Biopsieund Histologieder HodenM.

Bergmann,S. Kliesch

[6] WHO, WHO laboratory manual for the examination and processing of human semen.UK: Cambridge University Press, 2010.

[7] Nijs, M., et al., Fertilizing ability of immotile spermatozoa after intracytoplasmic sperm injection.Hum Reprod, 1996. 11(10): p. 2180-5.

[8] FertiPROTEKT Netzwerk e.V.

[9] Wertigkeit des Hodenvolumens und der Serumkonzentration des Follikel-stimulierenden Hormons alsprädiktive Faktoren für die testikuläre Spermatozoenextraktion(TESE)

Eckel H, Allhoff EP, Hennecke BJakubiczka S, Kleinstein JKropf S, Wieacker PJournal für Urologie undUrogynäkologie 2000; 7 (4) (Ausgabefür Schweiz), 19-26Journal für Urologie und Urogynäkologie 2000; 7 (6) (Ausgabefür Österreich), 22-29

[10] Jensen, T.K., Association of In Utero Exposure to Maternal Smoking with Reduced Semen Quality and Testis Size in Adulthood: A Cross-Sectional Study of 1,770 Young Men from the General Population in Five European Countries.American Journal of Epidemiology, 2004. 159(1): p. 49-58.