Social Freezing: Ablauf, Chancen, Kosten, Risiken

Frauen möchten zunehmend selbst planen, in welchem Alter sie ein Kind bekommen. Eine Social Freezing Behandlung bietet die Möglichkeit, sich erst in späteren Jahren den Kinderwunsch zu erfüllen.

Gefrohrene Kristalle Nahaufnahme

Was ist Social Freezing?

Social Freezing (auch Kryokonservierung genannt) bezeichnet die Gewinnung und Konservierung von Eizellen (Oozyten) ohne medizinischen Grund. Bei der Kryokonservierung werden nach einer Stimulationsbehandlung unbefruchtete Eier aus den Eierstöcken entnommen, ultraschnell eingefroren (Vitrifikation) und in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius eingelagert. Später werden die Oozyten wieder aufgetaut und vom Reproduktionsmediziner für eine künstliche Befruchtung verwendet. Auch das Sperma von Männern lässt sich einfrieren und lagern.

Warum wird Kryokonservierung durchgeführt?

Die Fertilität ist mit 23 Jahren am höchsten und nimmt ab einem Alter von 32 Jahren langsam ab. Die Fehlgeburtenrate steigt, während auch die Chance, mittels künstlicher Befruchtung schwanger zu werden, kleiner wird. So beträgt die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit mit 40 Jahren nur noch ca. 5%. Mit über 43 Jahren tritt eine spontane Schwangerschaft nur noch sporadisch ein.


Karriere und persönliche Freiheit werden immer wichtiger in unserer Gesellschaft. Gerade Akademikerinnen haben viele Jahre mit ihrer Ausbildung verbracht und möchten häufig nicht gleich wieder für eine Familiengründung aus dem Beruf aussteigen. Über ein Viertel aller Akademikerinnen bekommen erst mit 35 Jahren ihr erstes Kind. Der Bevölkerungsdurchschnitt liegt hier bei 30 Jahren und ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen. Mit der Kryokonservierung können Frauen ihren Kinderwunsch verschieben und gewinnen ein Zeitfenster von 5 – 10 Jahren, bis sie sich in ihrer beruflichen und privaten Situation für die Erfüllung des Kinderwunsches bereit fühlen .


Die Karriere ist nicht der wichtigste Grund für die Verschiebung des Kinderwunsches. Laut einer belgischen Studie aus dem Jahr 2014 ist für etwa 80 Prozent der Akademikerinnen, die ihre Eizellen per Social Freezing konservieren lassen, der fehlende Partner ausschlaggebend. In 32% der Fälle wird die Notwendigkeit vermieden, sich an einen festen Partner zu binden. 49% der Befragten sind dem Richtigen bisher nicht begegnet. In einer späteren Lebensphase gehören Kinder aber in jedem Fall zu ihrer Planung dazu. Für 65% ist der wichtigste Grund die Absicherung gegen eine zukünftige mögliche Unfruchtbarkeit.

Grafik zu den Gründen für Social Freezing

Mehr als 70 Prozent der Behandlungen finden aus medizinischen Gründen statt. Patientinnen, die aufgrund einer Krebserkrankung eine Chemo- oder Strahlentherapie durchlaufen müssen, können durch das Verfahren unfruchtbar werden und keine eigenen Kinder mehr bekommen. In diesem Fall lassen sie vorab Eizellen einfrieren. Nach Einschätzung von Fachkreisen liegt die Zahl der Frauen, die Eier einfrieren lassen, deutschlandweit bei 10.000, mit steigender Tendenz. 2013 wurden laut einer Erhebung von Statista rund 1000 Eingriffe durchgeführt. Social Freezing ist in Deutschland als Methode gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. 46 Prozent der Frauen und 43 Prozent der Männer im Alter von 20 bis 50 Jahren halten Social Freezing für eine gute Lösung.

Eizellen einfrieren: Wie funktioniert Kryokonservierung?

Kryokonservierung ist mit der Vorbereitung auf eine künstliche Befruchtung vergleichbar. Die Eizellen werden über 10 – 14 Tage mit Hormonen stimuliert, sodass möglichst viele heranreifen. Die Zellen werden allerdings nach der Entnahme nicht mittels einer IVF oder ICSI Behandlung befruchtet, sondern kryokonserviert.


Wenn die Eibläschen groß genug sind, wird der Eisprung ausgelöst und die Eizellen werden in einer kurzen Narkose aus dem Körper mit einer feinen Nadel durch die Scheidenwand herauspunktiert. Je nach Alter, Eizellreserve und hormoneller Stimulation werden zwischen 3 und 30 Eizellen entnommen, durchschnittlich ca. 10 – 18 Stück. Da die chromosomale Qualität mit zunehmendem Lebensalter abnimmt, sollten bei älteren Frauen entsprechend mehr Zellen gewonnen werden. Durch das Vitrifikationsverfahren, ein besonders schnelles Kälteverfahren, können die entnommenen Oozyten im IVF-Labor rasch auf eine Temperatur von -196 Grad Celsius tiefgefroren werden und in diesem Zustand viele Jahre unbeschadet in flüssigem Stickstoff bleiben.


Wenn eine Frau mit Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt eine Schwangerschaft plant, tauen Ärzte die kryokonservierten Eizellen wieder auf und befruchten sie mit dem Samen eines Mannes mittels IVF oder ICSI. Eizellen können theoretisch für die Ewigkeit eingefroren und für eine künstliche Befruchtung wieder verwendet werden. Rechtlich gibt es diesbezüglich keine einheitliche Regelung. Einige Landesregierungen begrenzen die erlaubte Aufbewahrung der Eizellen auf 25 Jahre. Eine Frau kann auch nach den Wechseljahren noch mit den eingefrorenen Eizellen schwanger werden (bei zunehmenden Risiken für Mutter und Kind in diesem Alter).


Social Freezing ist auch eine Option für alleinstehende oder lesbische Frauen, weil die Befruchtung genauso mit einer Samenspende durchgeführt werden kann. Der entstandene Embryo wird nach dem erfolgreichen Auftauprozess in die Gebärmutterhöhle eingesetzt.

Wie stehen die Erfolgschancen?

Wie hoch die Chancen auf ein Baby sind, ist entscheidend abhängig vom Alter der Patientin bei der Behandlung. In jungen Jahren sind mehr, und genetisch intakte Oozyten zum Einfrieren vorhanden, sodass weniger Behandlungszyklen zur Entnahme notwendig sind.


Die Chancen auf eine Schwangerschaft hängen von unterschiedlichen Faktoren ab. Vor Allem das Alter spielt eine wichtige Rolle – bei älteren Frauen sind die Chancen niedriger, bei jüngeren höher. Je mehr Zellen entnommen und kryokonserviert werden, desto höher ist nach Studien auch die Wahrscheinlichkeit auf eine Lebendgeburt. Eine 20-Jährige hat mit 20 eingefrorenen Eizellen hier eine Wahrscheinlichkeit von 94%. Für eine 37-Jährige mit derselben Zahl von Oo7yten liegt diese Wahrscheinlichkeit immer noch bei 75%.

Wahrscheinlichkeit von mind. einer Lebendgeburt bei 20 eingefroreren Eizellen

Amerikanische Wissenschaftler haben anhand von Bevölkerungsdaten, Studien und Daten von Kinderwunschzentren den optimalen Zeitpunkt berechnet, an dem Eizellen für einen späteren Kinderwunsch eingefroren werden sollten. Die höchste Wahrscheinlichkeit, dass die eingefrorenen Eizellen später auch wirklich zur Geburt eines Kindes führen, besteht demnach, wenn die Eizellen bei einem Lebensalter zwischen 25 – 30 Jahren eingefroren werden. Allerdings ist in diesem Alter der Unterschied zu den Frauen, die abwarten und natürlich konzipieren oder zunächst eine Kinderwunschbehandlung durchführen, sehr klein (< 3 Prozent).


Mit 37 Jahren besteht der größte Unterschied für die Erzielung einer Lebendgeburt zwischen Frauen, die Eizellen einfrieren, und Jenen, die ein abwartendes Verhalten wählen. Hier kann durch Social Freezing die Wahrscheinlichkeit auf ein Baby um 10 Prozent gesteigert werden. 


Die Autoren bieten auch einen Online-Rechner an, mit dem die Wahrscheinlichkeit berechnet werden kann, ob die eingefrorenen Eizellen zur Geburt eines Kindes führen werden.


Die Erfolgsrate ist zudem abhängig von der Methode des Einfrierens der Eizellen. Beim „Slow Freezing“ werden die Eizellen über einen längeren Zeitraum abgekühlt als bei der Vitrifikation (“Flash Freezing”). Das Eintauchen der Oozyten in flüssigen Stickstoff bei der Vitrifikation erlaubt die Abkühlung innerhalb weniger Minuten. So wird die Bildung von Kristallen verhindert. Die Vitrifikation als eindeutig überlegenes Verfahren hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit hängt auch von der Qualität des Samens und weiteren fruchtbarkeitsbeeinflussenden Faktoren ab.

Gibt es auch Risiken?

Komplikationen beim Social Freezing können während der Hormon-Stimulation oder bei der Entnahme von Eizellen auftreten. Bei weniger als 0,5% der Stimulationen kommt es zu einem schweren ÜberstimulationssyndromAltersbedingt steigen generell die Risiken und Komplikationen während einer Schwangerschaft. Nicht ganz außer Acht zu lassen sind zudem mögliche psychologische Probleme im Falle einer erfolglosen Befruchtung der aufgetauten Eizellen. Es gibt keine Hinweise, dass bei der Kryokonservierung ein höheres kindliches Fehlbildungsrisiko besteht als bei anderen reproduktionsmedizinischen Methoden. Diese Daten müssen noch vorsichtig interpretiert werden, da bislang noch keine große Zahl von Schwangerschaften nach Befruchtung von eingefrorenen Oocyten vorliegt.

Was kostet Social Freezing?

Je nach Anzahl der notwendigen Behandlungszyklen muss mit einmaligen Kosten zwischen 3.000 Euro und 9.000 Euro für das Verfahren gerechnet werden. Die Aufwand steigt, je mehr Eizellen entnommen werden sollen. Hinzu kommen jährliche Kosten für die Lagerung der Eizellen i.H.v. ca. 350 Euro bis 500 Euro. Die Kosten für eine Behandlung mittels Social Freezing werden grundsätzlich weder von gesetzlichen Krankenkassen noch von privaten übernommen. Auch die Kostenübernahme durch Arbeitgeber (in einigen Unternehmen üblich in den USA) ist in Deutschland bislang kein Thema. Lediglich beim Eizellen einfrieren aus medizinischen Gründen tragen die gesetzlichen Kassen die Kosten.

Ist Social Freezing in Deutschland legal?

Im Embryonenschutzgesetz wird die Verwendung von Methoden der künstlichen Befruchtung geregelt. Social Freezing wird in dem Strafgesetz nicht erwähnt und ist in Deutschland erlaubt. Zudem gibt es auch keine gesetzlichen Vorgaben bzgl. des minimalen oder maximalen Alters einer Frau, in dem die Behandlung durchgeführt werden kann.

Wann kommt Social Freezing aus medizinischen Gründen in Frage?

Die Kryokonservierung wird aus medizinischen Gründen eingesetzt, wenn eine Erkrankung der Eierstöcke vorliegt und eine mögliche Restaktivität genutzt werden soll. Oder sie kommt bei Frauen zur Anwendung, die eine Krebserkrankung haben und vor der anstehenden Chemotherapie ihre Eizellen einfrieren wollen. Die Amerikanische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ACOG) empfiehlt, dass jungen Frauen unter 35 Jahren generell das Einfrieren von Eizellen angeboten werden sollte, soweit ein Risiko besteht auf vorzeitiges Versagen der Eierstocksfunktion. Entsprechend gilt die Empfehlung auch für Frauen mit genetischen Erkrankungen, wie z.B. mit dem Fragilen-X-Syndrom oder mit Mosaiken für eine Monosomie X, die ein hohes Risiko tragen frühzeitig in die Wechseljahre zu kommen.

Gibt es Kryokonservierung auch für den Mann?

Auch für Männer gibt es die Möglichkeit, Spermien oder auch Hodengewebe über Jahre hinweg einzufrieren und zu lagern (z.B. weil sie sich einer Chemotherapie unterziehen müssen). Zum passenden Zeitpunkt kann dann der Kinderwunsch durch assistierte Reproduktion mittels IVF-, ICSI-Behandlung oder auch per Insemination nach Auftauen der Spermien realisiert werden. Auch die Fruchtbarkeit des Mannes nimmt mit zunehmendem Alter ab, wenn auch deutlich geringer. Das Einfrieren von Spermien kostet 500 bis 800 Euro. Die Kosten für die Lagerung kommen noch hinzu.

Was ist bei der Auswahl einer Klinik zu beachten?

Verlassen Sie sich bei der Auswahl eines Kinderwunschzentrums für die Behandlung auf einen Arzt oder Gynäkologen. Eine zusätzliche Begleitung durch Berater kann sinnvoll sein, wenn psychosoziale Probleme bestehen.


Im Rahmen von FertiPROTEKT kooperieren Zentren und Ärzte bei der Erhaltung der Fruchtbarkeit, insbesondere vor geplanten Krebsbehandlungen (Medical Freezing). Einen Überblick zu den Kooperationspartnern gibt es hier


Vorsicht bei Vermittlern im Internet, die Sie telefonisch beraten und eine Klinik empfehlen. Diese Vermittler werden i.d.R. von Ärzten oder Kliniken für die erfolgreiche Vorstellung neuer Patienten bezahlt und arbeiten insofern nicht unabhängig. Informieren Sie sich selbst über Ausstattung, Ärzte und Leistungen einer Klinik und lassen Sie sich ggf. medizinisch und juristisch beraten.

Ethische Aspekte

Aus medizinischer Sicht ist eine Konservierung der ovariellen Reserve bis ins hohe Alter möglich. FertiPROTEKT versuchte eine Selbstverpflichtung durchzusetzen für Kinderwunschzentren, die Social Freezing anbieten. Demnach wurde empfohlen, einen Transfer vor Beginn des 50. Lebensjahres (durchschnittlicher Beginn der Menopause) abzuschließen. Die Einhaltung dieser Empfehlung kann allerdings kaum kontrolliert werden.


Social Freezing löst nicht das Problem der Partnersuche oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichwohl sollte eine Frau im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten autonom entscheiden können, wann und wie sie ein Kind bekommen möchte. Zudem sind soziale und medizinische Gründe nicht immer unabhängig voneinanderBeim Einfrieren der Eizellen trägt eine Frau „nur“ Sorge für die eigene Gesundheit. Werden diese für eine Schwangerschaft genutzt, hat sie jedoch auch Verantwortung für ein Kind – in höherem Alter mit zunehmenden Gefahren.


Auch Männer haben das Recht auf eine späte Vaterschaft, die ebenso mit – gleichwohl niedrigeren – Risiken verbunden ist. Moralisch wird dieser Sachverhalt selten thematisiert.